Krankheit - die zunehmende Bedrohung in Unternehmen

Katja Wildfeuer
von Katja Wildfeuer

In Deutschland haben Unternehmen in den letzten Jahren einen signifikanten Anstieg des Krankenstands zu verzeichnen. Krankheit wird immer noch als Sache des Arbeitnehmers gesehen. Dabei ist es längst offensichtlich, dass die Unternehmen massiv davon betroffen sind. Im ersten Halbjahr des Jahres 2023 kam es sogar laut einigen Krankenkassenmeldungen zu einem Rekordhoch (BKK März 7,02 %)! Man sollte meinen, dass unser hoch entwickeltes Gesundheitssystem, die angebotenen psychotherapeutischen Maßnahmen und Präventionsangebote und die in den meisten Unternehmen getroffenen Maßnahmen zur Gesunderhaltung und Prävention genau das Gegenteil bewirken. Warum werden die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen immer kränker?

Dieses Phänomen wirft wichtige Fragen bezüglich der Ursachen und Konsequenzen für Unternehmen auf. Insbesondere auch, welche Einflüsse negativ auf den Umsatz wirken. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die aktuellen Statistiken und diskutieren, wie diese Trends die betriebliche Leistung nicht nur beeinflussen, sondern auch bedrohen können.

Krankheit


Aktuelle Krankenstandsstatistiken

Laut der monatlichen Statistik der BKK zum Beispiel (https://www.bkk-dachverband.de/statistik/monatlicher-krankenstand) lag der monatliche Krankenstand im Jahr 2023 bis einschließlich Oktober im Durchschnitt bei 5,7 %. Im ersten Quartal 2023 lagen die Krankheitszahlen in allen drei Monaten deutlich über denen der Vorjahre und erreichten Rekordzahlen. Es ging durch die ganze Presse. 2022 lag im Gesamtjahresdurchschnitt bei 5,98 %. 2021 waren wir noch bei 4,5 %! Um die Jahrtausendwende lagen wir bei ca. +/- 4,0 %. Das heißt der Krankenstand hat in den letzten Jahre um 2 Prozentpunkte zugelegt.  Krankheit spielt eine immer größere Rolle in den Unternehmen. 

Lagen im Januar 2021 noch die Muskel-Skelett Erkrankungen auf Platz 1 wurde diese doch sehr gleichmäßig verlaufende Kurve mittlerweile mehrfach massiv durch Atemwegserkrankungen durchbrochen (wobei Covid selbst keinen maßgeblichen Anteil spielt). An dritter Stelle liegen unverändert die psychischen Erkrankungen, die allerdings in den letzten zwei Jahren einen kontinuierlichen Anstieg von ca. 0,2 Prozentpunkten ausmachen.

Sehr bedenklich ist innerhalb der psychischen Erkrankungen der Anstieg der Arbeitsunfähigkeitsfälle aufgrund von Burnout.

Die AOK zählte 2022 durchschnittlich 6,8 Arbeitsunfähigkeitsfälle je 1.000 Mitglieder aufgrund einer Burn-out-Diagnose. Damit hat sich die Diagnosehäufigkeit im letzten Jahrzehnt drastisch erhöht. Auch das Krankheitsvolumen dieser Diagnosegruppe ist zuletzt deutlich gestiegen: waren es 2005 noch 13,9 Krankheitstage registrierte die AOK 2022 durchschnittlich 159,8 AU-Tage je 1.000 Mitglieder. Hochgerechnet auf alle gesetzlich krankenversicherten Beschäftigten ergeben sich daraus für 2022 rund 216.000 Burn-out-Betroffene mit kulminierten 5,3 Millionen Krankheitstagen.

Quelle: Statista 

2004 lagen die durchnittlichen Arbeitsunfähigkeitsfälle je 1.000 Mitglieder noch bei 0,6! Das ist ein Anstieg von 6,2 Arbeitsunfähigkeitsfällen je 1.000 Mitglieder mit der Diagnose Burnout!

Hey, was ist da los in deutschen Unternehmen? Der Trend geht nach oben. Was bedeutet das für die Unternehmen?


Geschäftliche Auswirkungen der Krankheit

Ein hoher Krankenstand kann erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen haben und wird gerade in der heutigen Zeit meines Erachtens immer noch massiv unterschätzt:


Finanzielle Belastungen

Wer an Krankheit denkt, denkt zuerst an die Kosten

Seit 1994 und damit erstmals für das Jahr 1993 schätzt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) die volkswirtschaftlichen Produktionsausfälle durch Arbeitsunfähigkeit. Mit einer durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeit von 17,0 Tagen je Arbeitnehmer/-in ergeben sich im Jahr 2021 insgesamt 697,9 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage. Ausgehend von diesem Arbeitsunfähigkeitsvolumen schätzt die BAuA die volkswirtschaftlichen Produktionsausfälle auf insgesamt 89 Milliarden Euro bzw. den Ausfall an Bruttowertschöpfung auf 153 Milliarden Euro.

Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Ehrlich - mir machen diese Zahlen Angst! Wer soll das in Zukunft noch finanzieren? Die tatsächlichen Kosten werden aber noch höher liegen, da nicht alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich sofort krank melden, oder privat versichert sind oder mit Krankheit schon wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren oder im Home Office trotzdem arbeiten.

Was man bei den finanziellen Belastungen in Bezug auf Krankheiten auch berücksichtigen muss, ist der Fakt, dass viele Symptome bereits vor der eigentlichen Krankschreibung die Arbeitsleistung einschränken. Gerade ein Burnout kommt nicht von heute auf morgen, sondern schleicht sich langsam ein. 

Auch müssen je nach Stelle und Ausfallzeit Vertretungen besorgt werden. Die Suche, die Einstellung, die Einarbeitung kosten Geld. Da die Stelle nicht frei ist, bedarf es einer vorübergehenden Zeitarbeitskraft, die in den meisten Fällen höhere Kosten verursacht. 

Jetzt kann man zwar argumentieren, dass die Lohnfortzahlung ja nur sechs Wochen (42 Tage) finanziert werden muss, aber auch hier gibt es Tücken. Im Normalfall haben wir unterschiedliche Krankheiten im Laufe eines Jahres, die vom Arzt unterschiedlich verschlüsselt werden. Die sechs Wochen gelten aber nur für einen Schlüssel und beginnen bei jedem anderen Schlüssel wieder von vorne. Ich kann mich daran erinnern, dass wir einen Mitarbeiter hatten, der auf diese Weise, mit drei bis vier unterschiedlichen Diagnosen und gekonnten kurzen Pausen nie aus der Lohnfortzahlung herausfiel und trotzdem nie anwesend war. Das mag eine extreme Ausnahme gewesen sein, aber das Prinzip ist trotzdem gültig. Wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin genügend unterschiedliche Diagnosen mit sich bringt, kann sie auch länger als sechs Wochen auf Kosten des Unternehmens krank sein. Lesen Sie hier auch meinen Artikel: Was haben Glaubenssätze mit Umsatz zu tun?


Ist noch jemand da?

Wenn ca. 5 bis 6 Prozent der Belegschaft krankgeschrieben ist, 71 Prozent der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nur noch Dienst nach Vorschrift machen (Gallup Studie) und 14 Prozent innerlich bereits gekündigt haben (Gallup Studie), wer macht dann noch engagiert seine Arbeit? Gut, es wird Überschneidungen geben, aber bitte, wer hier noch glaubt, alles ist in Ordnung, der möge bitte die Augen aufmachen. 

Und ganz nebenbei: Laut Gallup Engagement Index 2021 kosteten innerliche Kündigungen der deutschen Volkswirtschaft im Jahr 2021 zwischen 92 und 115 Milliarden Euro. Und nicht alle, die innerlich gekündigt haben, sind krankgeschrieben. Das heißt, die Kosten kommen noch zum Großteil auf die oben genannten Kosten drauf. 


Fazit

Alle diese Zahlen zeigen mehr als deutlich, dass mit der deutschen Wirtschaft etwas nicht stimmen kann. Die ergriffenen Maßnahmen, Management Strategie und Tools scheinen offensichtlich nicht zu greifen. Wenn ich einfachheitshalber mal die Zahlen nebeneinander stelle und behaupte, es handle sich um drei separate Gruppen, die sich in dieser Annahme mal nicht vermischen, dann sähe das so aus:

71 % Dienst nach Vorschrift

14 % innerlich gekündigt 

6 % krankgeschrieben

Summe 91 % sind nicht mehr für das Unternehmen im Einsatz. Selbst 85 % wären schon zu viel!

Das Sonderbare ist, dass sich die Unternehmen trotzdem noch irgendwie halten. Gehen wir einmal in die absoluten Zahlen bei 1.000 Mitarbeitern

850 MitarbeiterInnen machen nur noch das Nötigste.

+/- 60 MitarbeiterInnen sind gar nicht da.

Das heißt, die Arbeit eines solchen Unternehmens lastet auf 90 bis 150 engagierten Mitarbeitern, denen ein wenig von den restlichen 850 bis 910 Mitarbeitern geholfen wird. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis diese Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch ausbrennen und aufgeben. Das ist ein sehr bedrohlicher Zustand am Rande einer Klippe. Denn da ist noch so etwas wie der Fachkräftemangel, der in den kommenden Jahren mit dem Ausstieg der Babyboomer seinen Lauf nehmen wird. 

Bislang hat man offensichtlich immer dafür gesorgt, dass ein gewisses Quantum an frischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen den engagierten Teil abarbeitet. Aber es ist doch offensichtlich, dass dieses Rechenbeispiel nicht mehr lange funktionieren kann. 

Ach, und noch eine Frage: Was ist denn mit der soviel heraufbeschworenen und gefeierten Effizienz, die in Deutschland doch so wichtig ist? Hier kann von Effizienz und vor allem von gesunder Effizienz keine Rede mehr sein. 

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