Wer sich derzeit die Stellenanzeigen ansieht, wird feststellen, dass sich hier etwas - zumindest bei vielen Unternehmen - geändert hat. Überall werden vielfältige "
Zusatzleistungen" hervorgehoben, in der Hoffnung die Fluktuation zu verringern und Mitarbeiter anzuziehen:
- Willkommensprämien (verteilt über mehrere Zahlungen gebunden an Zugehörigkeit)
- Home Office
- Obstkorb und Getränke
- Sport- und Mobilitätsangebote
- Gesundheitsangebote
- Fort- und Weiterbildung
- flexible Arbeitszeiten, etc.
Aber sind wir doch einmal ehrlich. Klar, all das ist immer noch nicht als selbstverständlich anzusehen, aber auf Dauer stellt es genauso wenig einen Anreiz dar, wie das Gehalt als solches. Die Fluktuation hat sich seit 2005 deshalb nicht wesentlich verändert. Es gibt auch andere Unternehmen, die das bieten und vielleicht sogar noch mehr zahlen. Aber irgendwann ist doch auch das nichts mehr wert. Der Gewöhnungseffekt setzt ein. Jüngere Generationen sehen das zum Teil sogar als selbstverständlich an. Wohin soll das denn führen? Warum sollten sich BewerberInnen für dieses Unternehmen entscheiden? Ich schätze, dass es auch in Zukunft weder der Fluktuation noch dem Fachkräftemangel etwas entgegengesetzt. Trotzdem erachte ich diese Angebote als ein wichtiger Baustein. Aber die Lösung für die Fluktuation und die Mitarbeiterbindung ist es nicht.
Ein weiteres schon lange ausprobiertes Mittel, um die Fluktuation seitens der Mitarbeiter zu reduzieren, ist die Mitarbeiterbefragung. Wirklich? Das soll helfen? Ich habe diverse Mitarbeiterbefragungen mitgemacht. Es hat sich in den Unternehmen NICHTS oder nur kaschierend wenig geändert. Das Mindset des Unternehmens blieb. Diese anonymen und DSGVO konformen Umfragen, die nur das abfragen, wovon das Unternehmen denkt, dass es eine Rolle spielt, gibt nicht annährend die Wahrheit wider, was wirklich in der Belegschaft vorgeht. Durch meine Tätigkeit als Geschäftsführungsassistentin und auch als Assistentin der Personalentwicklung konnte ich hervorragend die tatsächliche Stimmung und Meinung herausbekommen, als auch die Ergebnisse in den Umfragen sehen. Das stimmte in keinster Weise überein. Im Gegenteil, wenn die MitarbeiterInnen sich mal "ehrlich" geäußert hatten und dies mal wieder ignoriert wurde, dann änderte dies nichts an der Mitarbeiterfluktuation, sondern führte zu neuem Frust, inneren Kündigungen und der Suche nach einer Alternative. Sprich, die MitarbeiterInnen war trotzdem oder gerade deswegen weg.
Noch ein Versuch, die Zielvereinbarungen mit den anschließenden Zielgesprächen und wenn richtig umfangreich, dann auch noch 360° Gespräche. Wenn dies das probate Mittel der Wahl wäre, würden dann nicht die Bewerber in Scharen kommen, die Flukutationsrate nicht der Rede wert sein und MitarbeiterInnen gesund und fröhlich ihre Jobs erledigen? Wie kommt es, dass sich auch hier kein Effekt gezeigt hat? Oder dienen diese Instrumente eigentlich ganz anderen Zwecken?
Betriebliches Gesundheits- und Eingliederungsmanagement soll ebenfalls dazu beitragen, den MitarbeiterInnen Gutes zu tun. Prinzipiell schätze ich diese Idee, da ich einen Schwerpunkt auf
Burnout Prävention lege. Allerdings bin ich durch diesen Prozess selbst gegangen, als ich vom Burnout betroffen war. Ich war zudem auf der anderen Seite im Committee for Environment, Health and Safety und im Rahmen meiner Tätigkeit als Personalsachbearbeiterin für die Wiedereingliederung meiner KollegInnen zuständig. Desweiteren habe ich die Zielvereinbarungen der Führungskräfte einsehen können. Hier gab es soviele Spannungsfelder, dass es tatsächlich nicht um die MitarbeiterInnen ging, sondern um ganz andere Interessen. Das mag nicht pauschal für alle Unternehmen gelten, aber viele werden auch trotz eines ehrlich gemeinten Ansatzes hier Konflikte finden. Wenn dann ein Unternehmen noch auf die Idee kommt, eine Gesundheitsprämie einzuführen, dann sollten wir einmal sprechen.
Um MitarbeiterInnen zu finden, zu halten und die bereits vorhandene Belegschaft langfristig an das Unternehmen zu binden, um die Fluktuation möglichst gering zu halten, bedarf es neuer Strukturen und Ansätze in den Unternehmen. Wie lange schon haben sie das Bekannte ausprobiert und was hat sich davon bislang ausgezahlt?
Wenn Menschen eine Arbeit suchen, dann haben Sie anfangs noch Visionen
- sie wollen sich einbringen und ehrlich gehört werden
- sie wollen etwas bewegen
- sie wollen das machen, wovon sie anfangs ausgehen, dass es ihnen Spaß und Freude bringen wird
- sie wollen sich für etwas sinnvolles engagieren
- sie wollen selbstbestimmt handeln dürfen, Verantwortung übernehmen
- sie wollen Wertschätzung erfahren und Ankennung in dem finden, was sie leisten (kein Geld als Ersatz)
- sie wollen sich so ausdrücken dürfen, wie sie gestrickt sind (und das ist von Mensch zu Mensch verschieden)
Mit der Zeit werden in den heutigen Strukturen all diese Wünsche und Bedürfnisse als Illusion zunichte gemacht. Wir finden uns in starren Strukturen, Entscheidungswege sind unendlich und manchmal kommt es gar nicht dazu, dass die Idee eines Mitarbeiters überhaupt irgendwo ankommt. Oft wird sie ignoriert oder als unerwünscht zur Seite gefegt. Die MitarbeiterInnen finden eine Welt, die dem, was Ihnen noch im Bewerbungsgespräch versprochen wurde, in keinster Weise entspricht. Nach fruchtlosen Bemühungen ihren Wert beizutragen, gehen sie dazu über, die Verantwortung an die Führungskraft abzugeben und nur noch ihren Job zu machen. Die innerliche Kündigung, Krankheit, Burnout und der Wunsch nach Wechsel, gepaart mit der Hoffnung nach Besserung im nächsten Job setzen ein. Die Fluktuation beginnt.
Stattdessen wäre eine Struktur, in der MitarbeiterInnen unterstützt werden, wieder sie selbst zu sein viel sinnvoller:- erwachsene Menschen, die selbstbestimmt die Tätigkeiten verrichten, die ihnen liegen
- Teams ohne Kontrolle, die sich selbst intern steuern, wo jeder Rollen hat, anstatt einengende Stellenbeschreibungen (so kann die Vielzahl der Kompetenzen, Fähigkeiten, Talente und Wissen optimal genutzt werden)
- echte gelebte Ganzheit, die ohne soziale und professionelle Masken auskommt
Nur ein Umdenken kann Unternehmen helfen, sich der Herausforderung des Fachkräftemangels, der Flukuation und des Burnouts seiner MitarbeiterInnen zu stellen.