Die AOK zählte 2021 durchschnittlich 6 Arbeitsunfähigkeitsfälle je 1.000 Mitglieder aufgrund einer Burnout-Diagnose. Damit hat sich die Diagnosehäufigkeit im letzten Jahrzehnt drastisch erhöht. Auch das Krankheitsvolumen dieser Diagnosegruppe ist zuletzt deutlich gestiegen: waren es 2005 noch 13,9 Krankheitstage registrierte die AOK 2020 durchschnittlich 141,8 AU-Tage je 1.000 Mitglieder. Hochgerechnet auf alle gesetzlich krankenversicherten Beschäftigten ergeben sich daraus für 2021 rund 194.000 Burn-out-Betroffene mit kulminierten 4,8 Millionen Krankheitstagen.
(Quelle: Statista, Bericht von Rainer Radtke, veröffentlicht 20.09.2023 - https://de.statista.com/statistik/daten/studie/239872/umfrage/arbeitsunfaehigkeitsfaelle-aufgrund-von-burn-out-erkrankungen/)
Laut Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse sind die Fehlzeiten wegen seelischer Leiden vom ersten Halbjahr 2022 auf das erste Halbjahr 2023 um 85 Prozent gestiegen – so stark wie nie in der jüngeren Vergangenheit. Demnach kamen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres auf 100 KKH-Mitglieder 303 Ausfalltage. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 164 Tage. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2022 registrierte die KKH 339 Fehltage pro 100 Mitglieder aufgrund von Depressionen, Anpassungsstörungen, Angststörungen & Co., 2021 und 2020 waren es 287 und im Vor-Corona-Jahr 2019 rund 274 Tage. (Hinweis der Autorin: Burnout wird meist durch andere psychische Erkrankungen geschlüsselt, da es keine anerkannte Krankheit ist.)
Neben dem Fehlzeitenhoch registriert die KKH auch eine Zunahme der Krankheitsfälle aufgrund seelischer Leiden. So stieg die Arbeitsunfähigkeitsquote (AU-Quote), also die Zahl der Krankschreibungen im Verhältnis zu den berufstätigen Mitgliedern, im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 32 Prozent.
(Quelle: KKH, https://www.kkh.de/presse/pressemeldungen/au-psyche)
Der durchschnittliche Krankenstand lag 2023 bei 5,6 % auf einen bisher nie dagewesenen Rekordhoch.
Es gibt unzählige Burnout Prävention Angebote, Kurse und Programme. Trotzdem steigen die Zahlen signifikant. Man sollte doch denken, dass diese Präventions Maßnahmen Wirkung zeigen müssten. Oder geht keiner hin? Ich vermute, das Problem liegt an mehreren Stellen. Obwohl Burnout mittlerweile durch bekannte Persönlichkeiten "gesellschaftsfähig" gemacht wurde und als die Krankheit der hart Arbeitenden gilt, ist es immer noch ein Tabu-Thema. Die Wenigsten kennen die Warnsymptome eines Burnout Syndroms. Da sich ein Burnout einschleicht, wird es oft viel zu spät erkannt. Rückblickend konnte ich die Entwicklung meines Burnouts erkennen. Bewusst wurde es mir erst, als ich mit einem Nervenzusammenbruch bei meiner Ärztin saß.
Viel zu oft haben wir keine Zeit, keine Lust. Wir sehen keine Notwendigkeit, uns mit Burnout Prävention zu befassen. "Mich erwischt es schon nicht". Leicht gesagt, aber ein verbreiteter Irrtum. Es fehlt der Bezug. Wir Menschen werden ohnehin gerne erst wach, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.
Ich habe die letzten Jahre seit meinem eigenen Burnout versucht herauszufinden, was dahintersteckt. Wo die Ursachen liegen und was wirklich hilft. Dazu habe ich mich zur Psychologischen Beraterin ausbilden lassen und zur Fachkraft für Stressmanagement und Burnout Prävention. Selbst in diesen Ausbildungen fand ich keine Antworten. Es wurden die gängien Annahmen und Präventionsmaßnahmen vermittelt, die aber offensichtlich nicht helfen. Auch mir haben sie nicht geholfen.
Ein sehr großer Teil des Burnouts liegt in uns selbst. Ein Burnout ist ein Versuch des Körpers zur Selbstregulierung. Es verschafft einen erzwungenen Stillstand, der sich nicht mal eben wie eine Erkältung wieder auflöst. Wer ein Burnout hat, der hat sich selbst schon lange verloren.
Ich war lange in therapeutischer Behandlung und hatte trotzdem zwei Rückfälle. Warum? Ich hatte nichts geändert, außer meine Arbeitszeit zu reduzieren. Wir haben uns zwar mit aktuellen Problemen beschäftigt, diese aber nie wirklich gelöst. Ich lernte viel über die klassischen Annahmen aus der Psychotherapie, aber geändert hat dies nichts. Viele Therapien und selbst bezahlte Coaches später hatte ich noch immer keine Lösung. Mir ging es immer schlechter und das über Jahre hinweg. Erst 2019 fand ich heraus, dass eine tiefgreifende Persönlichkeitsentwicklung mit der Frage nach meinem Sinn, nach meinem wirklichen Selbst notwendig war. Ich stieß u.a. auf viele limitierende und blockierende Glaubenssätze und Muster, die immer wieder in meinem Berufsleben getriggert wurden. Hier begann meine Reise in die Genesung und zu dem Bewusstsein, auch heute noch schnell zu erkennen, wenn ich wieder beginne, mich selbst zu verlieren.
Letztends sprach ich mit einer DACH Geschäftsführerin eines internationalen renommierten Unternehmens. Sie erklärte mir, dass ein Burnout das Problem des Mitarbeiters sei und aus dessen Kindheit resultierte. Der Aspekt mit der Kindheit stimmt, wäre aber zu kurz gegriffen. Das ein Burnout das Problem des Mitarbeiters ist, ist Ignoranz pur. Denn abgesehen von den Kosten, die einem Unternehmen entstehen, hat dieses auch noch einen direkten Einfluss auf die Entstehung eines Burnouts. Dankbar bin ich ihr für diese Aussage trotzdem. Sie hat mich darauf gebracht, auch hier mal genauer hinzusehen. Grundsätzlich gebe ich niemanden die Schuld!
Unternehmen schaffen aber mit ihren aktuellen Strukturen, Hierachien, Leistungsstreben, Effizienzhunger den Nährboden für die Zunahme von Burnout Erkrankungen (oder anderen psychischen Erkrankungen). Sie führen u.a. dazu, dass die Mitarbeiter und MitarbeiterInnen sich selbst verlieren. Auf dieser Seite und in meinen Büchern möchte ich die Zusammenhänge aufzeigen und Lösungen herausarbeiten, die den Unterschied machen können.
Jeder Mensch hatte als Kind Träume. Wir haben uns vorgestellt, Polizist, Astronaut, Popsänger, Stewardess zu werden. Irgendwann wurden unsere Vorstellungen konkreter. Wir gingen den genormten Weg - Ausbildung oder Studium. Alle lernten das Gleiche, standardisiert. Im Bewerbungsprozess pressten wir uns in die vom Unternehmen ausgeschriebenen Stellenbeschreibungen. Möglichst schon alles können. Die Anforderungen und Aufgabenbereiche waren teils sehr komplex. Wir freuten uns auf die Herausforderung, für die wir uns beworben haben. Wir wollten etwas beisteuern, etwas bewirken. Sinn stiften und unsere Talente und Fähigkeiten einsetzen.
Die Zahlen zeigen, dass die Wenigsten von uns es geschafft haben. Die meisten ArbeitnehmerInnen landeten in kalten Maschinen, in denen sie zum größten Teil unsinnige Arbeit verrichten durften. Ich hatte als Jobcoach einen sehr hellen jungen Mann, der zufällig für ein paar Monate im selben Unternehmen gearbeitet hat, wie ich Jahre zuvor. Er berichtete, dass er die Stelle angenommen hatte, weil man ihn gebeten hatte, den Finger in die Wunde zu legen und die Unternehmensblindheit mit Licht zu durchdringen. Er sollte sagen, was man verbessern könnte. Er sah darin Sinn und wollte helfen, das Unternehmen zu optimieren. Diese Aussage hat er ernst genommen und umgesetzt. Das Ergebnis: ihm wurde schnell klargemacht, dass das nicht gewünscht war.
Wir Menschen sind so reich an Talenten, die in den Unternehmen nicht gesehen und genutzt werden. Nein, auch das sog. Talentmanagement kann die wirklichen Talente nicht herausarbeiten. Wir haben Gaben, die die Wenigsten bei sich selbst benennen könnten. Wir wollen etwas verändern und Sinn stiften. Wir sind als erwachsene Menschen in der Lage, selbstbestimmt und verantwortungsvoll zu arbeiten. Wir bringen vielfältige Erfahrung, Wissen und teils unbekannte Neigungen mit, die in Unternehmen nicht genutzt werden.
Wer Menschen wieder ermächtigt, ihrer Bestimmung, ihrer Berufung nachzugehen. Wer seine eigenen Ängste, sein Ego in die zweite Reihe verbannt und lernt loszulassen. Wer es schafft, die Kontrolle aufzugeben und wieder zu vertrauen. Wer mutig ist, selbstbestimmte Menschen zuzulassen. Wer versteht, dass echte Persönlichkeitsentwicklung, die Ganzheit eines jeden Menschen ungeahntes Potential darstellt. Wer bereit ist, sich für seine Mitmenschen, ihr Talente, Gaben und Interessen zu öffnen.
Burnout Prävention bedeutet, Menschen wieder in ihrem wirklichen Selbst anzunehmen und sie mit Sinn und Verantwortung ihren Beitrag leisten zu lassen. Erst wer wieder authentisch sie oder er selbst sein darf, kann seine Energie voll zur Entfaltung bringen.
All diejenigen sind in der Lage, ihre Unternehmen neu zu denken und auf einen neuen Level zu bringen.